Ich erreiche das Messegelände des Pariser Autosalons, Porte de Versailles. Die Plakatwerbung hat „uns“ schon angekündigt: Prêt à changer. Frei nach meinem Schul-Französisch übersetzt : „Bereit für Veränderungen“. Ich bin zum ersten Mal auf dem Autosalon, und dieser Besuch ist nicht nur deswegen etwas Besonderes für mich: Es ist Zeit für eine neue Generation von Autos, elektrischen Autos.
Verantwortlich für E-Drive Integration
„Generation EQ“ heißt die Studie (EQ steht für „Electric Intelligence“), die Daimler in Paris vorstellt. Sie wird zum Vorboten einer ganzen elektrisch betriebenen Produktfamilie. Lange haben mein Team und ich auf diese Premiere hingearbeitet und nie war mein Beruf mehr Berufung für mich als heute: Wir sind für die E-Drive Integration aller Elektrofahrzeuge verantwortlich, für deren Architektur.
Wir entwickeln, wie die Konstruktion eines Fahrzeugs beschaffen sein muss, um als Elektroauto optimal in der Fabrik produziert werden zu können. Schließlich kann man ja nicht einfach einen E-Motor in ein normales Auto mit Verbrennungsmotor verpflanzen.
Die neue Generation von Elektrofahrzeugen wird auf einer eigens für batterieelektrische Modelle entwickelten Architektur basieren, die in jeder Hinsicht skalierbar und modellübergreifend einsetzbar ist: Radstand und Spurweite sowie alle übrigen Systemkomponenten, insbesondere die Batterien, sind dank des modularen Systembaukastens variabel.
Das Fahrzeugkonzept ist damit für alle Anforderungen einer zukunftsorientierten, batterieelektrischen Modellfamilie optimiert. Die Basisarchitektur eignet sich für SUVs, Limousinen, Coupés, Cabriolets und weitere Modellreihen.






Weit über das eigentliche E-Fahrzeug hinaus
Daimler hat aber in Paris weit mehr als nur als die Studie einer neuen Familie von Elektrofahrzeugen vorgestellt. „EQ“ heißt zukünftig die neue E-Mobility-Marke vom Erfinder des Automobils. Die neue Marke umfasst alle wesentlichen Aspekte für kundenorientierte Elektromobilität.
Das Spektrum reicht dabei von Elektrofahrzeugen über Wallboxen und Ladeservices bis hin zum Home-Energiespeicher. Das Kürzel steht für „Electric Intelligence“ und leitet sich von den Mercedes‑Benz Markenwerten „Emotion und Intelligenz“ ab.
In unserer Studie sorgen zwei Elektromotoren an Vorder- und Hinterachse, angetrieben von einer bis zu 300 kW starken Batterie im Unterboden, für ein maximales Drehmoment von 700 Newtonmetern. Die Beschleunigung auf Tempo 100 gelingt damit in weniger als fünf Sekunden. Mit Hilfe einer eigens von Mercedes entwickelten „intelligenten Betriebsstrategie“ kann Generation EQ bis zu 500 Kilometer weit fahren.
Kurze Ladezeiten
Wir haben bei Daimler auch konkrete Ideen für kommende Ladetechnologien, beispielsweise das induktive Laden oder auch ganz bequem zu Hause an der Wallbox. Deutlich reduzierte Ladezeiten versprechen wir uns außerdem mit der Einführung des Combined Charging System (CCS).
Hier werden perspektivisch sogar Ladeleistungen von über 300 kW möglich sein. Dies bedeutet, dass innerhalb von fünf Minuten genug Strom für 100 Kilometer nachgeladen wäre. Die gesamte Kompetenz für unser Batteriemanagement haben wir In-House verfügbar. Unsere Lithium-Ionen-Batterie stammt von der Deutschen ACCUmotive und verfügt über eine modellspezifische Gesamtkapazität von über 70 kWh.
Vier zentrale Fragen
Menschen, die sich für den Kauf eines Elektroautos interessieren, beschäftigen im Wesentlichen vier zentrale Fragen:
- „Reichweite & Infrastruktur“: Wie komme ich in überschaubarer Zeit an eine Nachladung der Batterie?
- „Kostenniveau“: Wie teuer wird für mich das Fahren eines elektrischen Autos?
- „Zuverlässigkeit“: Wie zuverlässig ist eine Batterie, wie ist ihre Lebensdauer?
- „Umweltfreundlicher Strom“: Wo kommt der Strom her, den ich lade?
Zu diesen grundsätzlichen Fragen haben wir die passenden Antworten. Das macht uns sicher: Die Zeit ist reif für die Elektromobilitätsoffensive.
Yes we can!
Wir bewegen uns in der Entwicklung der Elektro-Fahrzeuge auf immer größere Reichweiten zu. Wir werden in naher Zukunft ca. 60-80 Prozent Aufladung der Batterie in einer halben Stunde schaffen. Wir können eine längere Haltbarkeit der Batterien technisch erreichen.
Und wenn dann noch eine verbesserte Infrastruktur entsteht, wir in Deutschland immer mehr Ladespots bekommen, Politik und Wirtschaft gemeinsam die Installation der regenerativen Energien vorantreiben… so dass die Stromversorgung für eine große Flotte von Elektroautos gewährleistet wäre…
Erinnerungen an Satellitentechnik und die Zeit als Nerd
Als die EQ-Studie in Paris von Dieter Zetsche den Journalisten präsentiert wird und man heute wie selbstverständlich über vernetzte Fahrzeuge spricht, denke ich mit einem Lächeln an meine beruflichen Anfangsjahre: Als ich in den 1970er Jahren Nachrichtentechnik und Satelliten-Technik studierte, gab es nur eine Handvoll Satelliten im All.
Aber genau über diese Technik kam ich mit dem Thema „Elektronik“ in Berührung, es waren die damaligen elektrischen Antriebsmotoren, um Antennen der ersten Satelliten auszurichten. Ich war früher ein echter Nerd und habe mir selbst Rechner gebaut, denn es wäre zu dieser Zeit viel zu teuer gewesen, für den privaten Gebrauch einen der damaligen Rechner zu kaufen. Es hatte für mich aber auch Vorteile: Von den frühen Erkenntnissen zu Elektronik und Programmierung profitiere ich heute noch.
Mein Beginn bei Daimler
Über ein Praktikum und die Diplomarbeit gelangte ich schließlich zu Daimler. Die dortigen Ingenieure interessierten sich für meine Fähigkeiten zu Hochfrequenztechnik und Regelungstechnik. Zunächst kümmerte ich mich um Verbrennungsmotoren und habe in meinen ersten Jahren die „Klopfregelungstechnik“ für Motoren entwickelt. Mein Ziel:
Egal welche Kraftstoffqualität man tankt, der Motor sollte keinen Schaden nehmen!
Ich war als junger Mann einer der Miterfinder dieser Technologie. Es folgten viele Jahre in der Antriebsentwicklung, immer mit dem Schwerpunkt Elektronik und Regelungsentwicklung. Aber schon damals war für mich als Ingenieur die Mitarbeit an der Entwicklung eines Hybridfahrzeugs oder eines reinen Elektrofahrzeugs ein großer Traum. Das wollte ich eines Tages als vollwertigen Mercedes auf der Straße sehen!
Mercedes-Benz S 400 Hybrid
Ich wurde später dann verantwortlich für die Antriebs-Entwicklung des Mercedes-Benz S 400 Hybrid. Er ging 2009 in Serie, es war der Beginn der Elektrifizierung der Serien-Antriebe bei Mercedes-Benz. Ich wechselte dann den Bereich und seit 2009 entwickle ich ausschließlich Elektrofahrzeuge, genauer, die Systementwicklung aller Antriebe und die Integration ins Fahrzeug.






Der „Fall Elektromobilität“: CASE
Insofern bin ich stolz dabei zu sein, bei diesem großen Aufbruch des Sterns ins Elektrozeitalter. Die Marke smart zeigt gleich drei neue E-Varianten mit fortwo als Cabriolet sowie Coupé und den forfour (Stromverbrauch kombiniert: 13,1-12,9 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km), die schon bald durch unsere Straßen „stromern“ werden.
Daimler macht den „Fall Elektromobilität“ zu „CASE“. Was sich hinter der neuen Strategie verbirgt?Die vier Buchstaben C, A, S und E sind die vier aktuell wichtigsten Entwicklungsthemen der Automobilindustrie.
- Das C steht für „connected“, das vernetzte Fahren.
- Das A steht für „autonomous“, autonomes Fahren.
- Das S steht für „shared & services“, das Teilen. Man sieht vor allem in Metropolen aber auch abhängig von bestimmten Lebensphasen der Menschen, dass Kunden die Fahrzeuge nicht nur kaufen, sondern oft auch gerne mieten, leihen oder untereinander teilen.
- Das E steht für „electric“, für den Elektroantrieb. Das Thema EQ ist vor allem das E von Case.
Wir sind bereit, wenn Sie es sind
Die zukünftige Welt von Mercedes-EQ wird also eine ganz eigene Welt sein, eine neue Art von Mobilität. Die neue Marke umfasst alle wesentlichen Aspekte für kundenorientierte Elektromobilität und geht über das Fahrzeug an sich hinaus. EQ bietet ein umfassendes elektromobiles Ökosystem aus Produkten, Services, Technologien und Innovationen. Wir sind also bereit für die Elektromobilität. Wenn Sie es sind.
Die Kunden. Sind Sie alle bereit? Mal ehrlich, die Nachfrage nach der „E-Auto-Prämie“ lässt bislang anderes vermuten. Schon seit Anfang Juli kann der Umweltbonus beantragt werden. Einer Statistik zufolge haben bis jetzt nur 1973 Käufer eines reinen Batterie-E-Autos davon Gebrauch gemacht und die 4000 Euro in Anspruch genommen, die zur Hälfte vom Staat und zur anderen Hälfte von den Herstellern kommen. 1054 Käufer haben sich für eine Hybrid-Variante entschieden, für die es einen Bonus von 3000 Euro gibt. Da ist noch Luft nach oben.
À bientôt!
Wir werden jedenfalls mit EQ alles daran setzen, Elektromobilität in Mercedes-Qualität auf die Straße zu bringen. Und Sie zu überzeugen. Wenn Sie dann in ein paar Jahren all unsere elektrischen Autos immer noch nicht gut finden, dann mache ich einen Französisch-Kurs und eröffne in Paris ein Café. Aber dazu wird es nicht kommen… À bientôt!
Der Beitrag Generation EQ, Paris et moi erschien zuerst auf Daimler-Blog.