Da stehe ich nun auf der Bühne, an diesem besonderen Nachmittag im Mercedes-Benz Werk Sindelfingen und muss 16.500 Menschen, die den Formel 1 Konstrukteurs-Titel und die Fahrer-WM feiern wollen, etwas erklären: Wir haben einen deutschen Weltmeister. Und der… hört auf! Einen Tag vorher hatten wir die Entscheidung von Nico Rosberg, seine Motorsport-Karriere zu beenden, offiziell gegenüber den Medien verkündet. Was war passiert?
Wir waren nach Nicos WM-Sieg zunächst in Abu Dhabi und anschließend in Kuala Lumpur bei einem Empfang von Sponsor Petronas eingeladen. Für mich ein sehr emotionaler Moment, denn die Mitarbeiter von Petronas feierten Nico Rosberg als ihren Helden. Selten habe ich zwischen einem Piloten und dem Team eines Sponsors so viel ehrliche und ausgelassene Sympathie und Freude gesehen.
Im Anschluss flogen wir über den Zwischenstopp Singapur nach Frankfurt, von wo aus Nico in seine Geburtsstadt Wiesbaden weiterreiste und ich nach Stuttgart. Wir saßen auf dem Gang im Flugzeug zufällig nebeneinander und begannen, nachdem die Anspannung der F1- Saison 2016 allmählich von uns abfiel, uns über Privates zu unterhalten. Begannen, über das Leben zu philosophieren. Bei diesen Gesprächen hatte ich ein Gefühl, das ich aber nicht wirklich einschätzen konnte. Als ob mir Nico etwas andeuten wollte…
Überraschung und Schock
Kurz nachdem wir uns auf dem Flughafen in Frankfurt verabschiedet hatten, klingelte mein Telefon. Es war in dem Moment, als ich gerade früh morgens die Lounge verließ, um ins Flugzeug nach Stuttgart zu steigen. Es war Nico: Er sprach sehr emotional, sagte aber klar, dass für ihn Schluss bei der Formel 1 ist. Ich wollte in die Lounge zu ihm zurückgehen, nochmal mit ihm reden, aber er sagte „nein“.
Da mir war klar, es würde keinen Sinn machen zu versuchen, Nico umzustimmen. Er weiß genau, was er tut. Er denkt sehr klar. Es gab vom ersten Moment an keinen Zweifel, dass diese Entscheidung sich nochmal ändern würde. Ich war überrascht und – zugegeben – auch geschockt.
Nach so einem Erfolg aufhören?
Dass der Nico nach so einem Erfolg zurücktritt! Aber man kann Rennfahrer nicht zum Fahren zwingen, wenn sie für sich entscheiden, dass sie die Strapazen des Berufs nicht mehr auf sich nehmen wollen, weil sie zum Beispiel eine Familie haben. Für Nico Rosberg wäre es als Weltmeister zugleich bequem gewesen, seinen Job weiter zu machen und im besten Formel 1- Auto zu fahren, statt seinem Herzen zu folgen und so eine schwere Entscheidung zu treffen.
Jos Verstappen will seinem Sohn den Hintern versohlen
In den Stunden nach Rosbergs Verkündung am Freitag haben sich fast alle Formel 1-Fahrer bei Niki Lauda und mir gemeldet. Etwa 90 Prozent des Feldes. Nur um zu sagen: Hallo, wir sind da. Lustig war der Anruf von Jos Verstappen. Er wollte erfahren, ob der Sitz noch frei sei. Allerdings nicht für seinen Sohn, sondern für ihn selbst, damit er seinem Sohn Max (Team Red Bull) ‚mal den Hintern versohlen könne‘.
Was von Nico bleibt
An was werde ich mich bei Nico Rosberg erinnern? Als Fahrer hat er die Gratwanderung, ein starker Pilot zu sein, aber sich auch in die technischen Details zu vertiefen, sehr gut beherrscht. Und dann sein herausragendes Rennen in diesem Jahr beim Grand Prix in Singapur: Sein dritter Sieg in Folge, als Nico sich die WM-Führung von Lewis Hamilton zurückeroberte. Eine riesige Leistung!






Wir brauchen jetzt schnell Klarheit
Obwohl unser Team nun dringend einen Nachfolger benötigt, bewundere ich die Entscheidung von Nico zugleich. Aber für uns muss es nun schnell Klarheit geben, wer an der Seite von Lewis Hamilton für Mercedes AMG Petronas in die Formel 1-Saison 2017 startet. Es muss jemand sein der auf Augenhöhe mit Lewis, dem dreimaligen Weltmeister, kämpfen kann. Denn nur zwei gleichberechtigte Fahrer bringen, auch durch ihre interne Rivalität, ein Team in der Entwicklung nach vorn.
Ich werde jetzt natürlich oft nach Pascal Wehrlein gefragt. Eine logische Möglichkeit, denn Pascal gab in diesem Jahr sein Formel-1-Debüt bei Manor. Aber ein Cockpit gleich beim Weltmeister-Team ist ein „großes Paar Schuhe“ für die jungen Fahrer. Wir schließen aber nichts aus, beziehen dafür aber viele Überlegungen in die Entscheidungsfindung mit ein. Da kann einem schon der Kopf rauchen. Wir sind es unseren Fans schuldig, auch im nächsten Jahr mit einem schlagkräftigen Fahrer-Team um die WM zu fahren!
Danke, Nico
Aber ganz gleich, welcher Fahrer es schließlich wird, der die Nachfolge von Dir antritt: Wir, Dein Team, Niki Lauda, der Vorstand von Daimler… und ganz bestimmt auch dein Ex-Teamkollege Lewis… bedanken uns für die Zeit mit Dir! Alles Gute, Nico!
Dein Toto Wolff
Der Beitrag Danke, Nico! erschien zuerst auf Daimler-Blog.