Frankfurt, Mitte September, Spätsommerwetter. Flaggen im Wind stimmen die Messebesucher auf Festtage ein. Ja, es ist wieder IAA – für mich die siebzehnte – und meine letzte im Dienst der Daimler AG. Wie immer bin ich neugierig auf die Autos, die Technik, die Shows, freue mich auf das Wiedersehen mit Kollegen und Freunden aus aller Welt.
Das lässt mein Herz schneller schlagen, – und es kommen viele Erinnerungen hoch. Zeit für einen ganz persönlichen Rückblick zum Thema IAA.
In diesen Tagen schaut die ganze automobile Welt nach Frankfurt. Hier treffen sich die Branche, die Politik, die Medien, die Auto-Fans. Über 1000 Aussteller aus fast 40 Ländern sind am Start, es werden rund eine Million Besucher erwartet. Unbestritten gilt die IAA als bedeutendste Automobilmesse der Welt – gemessen an der medialen Berichterstattung, der Zahl und Internationalität der Aussteller und der Qualität der Präsentationen.
Die IAA – sie spiegelt auch mein Berufsleben und die Entwicklung von Daimler wider, sie fokussiert die Automobilbranche und die Diskussion um die Mobilität der Zukunft. Was macht sie so besonders?
Seit ich 1985 zum ersten Mal bei der IAA im Einsatz war, kann ich bestätigen: Nirgendwo sonst ist die Branche so vollzählig versammelt, trifft man so viele Journalisten, Automanager, Politiker, Kollegen und Freunde. Und nirgendwo sonst ist das Spektrum der Themen so breit. Es geht natürlich um Autos, aber schon seit Jahrzehnten auch um die Fragen rund um die Mobilität: Woher nehmen wir die Energie? Welche Alternativen zu Benzin und Diesel gibt es? Wie kann Mobilität sauberer und sicherer werden? Wie kann die immense Verkehrslast gestemmt werden?
Diese Fragen standen und stehen auf der Agenda zahlreicher Auftritte und Foren auf der IAA– freilich nicht immer im Mittelpunkt des medialen Interesses. Die Stars der Show sind die Autos – natürlich! Sie faszinieren und wecken Träume, auch wenn sie niemals in Serie gehen oder sich nur ganz wenige leisten können. The Show must go on!
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Die Anfänge der IAA in Berlin: Daimler und Benz als Gründerväter
Das war schon bei der ersten Automobilausstellung 1897 in Berlin so. Im Hotel Bristol stellte der eben gegründete Automobilclub acht „Motorwagen“ der Gründungsmitglieder aus. Darunter auch vier von Benz und einer von Daimler. Ja richtig, Gottlieb Daimler und Carl Benz waren da schon mit von der Partie und sind damit auch Gründerväter des Automobilverbands und der IAA.
Nun gab es fast jedes Jahr eine Internationale Automobilausstellung in Berlin, 1905 eröffnete sie sogar Kaiser Wilhelm II. Ein Indiz dafür, welche Anerkennung diese immer noch junge Technologie bereits hatte. Bis in die 50er-Jahre fanden die Automobilausstellungen in Berlin statt – teilweise unter sehr schwierigen Bedingungen durch Krieg, Weltwirtschaftskrise und Naziherrschaft.
Als die Ausrichtung in der geteilten Stadt zu schwierig wurde, bekam Frankfurt den Zuschlag. In der traditionsreichen Messestadt waren die Rahmenbedingungen sehr gut und die IAA verzeichnete schon in den 50er-Jahren fast eine Million Besucher. Das Auto wurde zum Motor für das Wirtschaftswunder und die Exportnation Deutschland und zum Symbol individueller Freiheit und Unabhängigkeit – obwohl sich die meisten noch gar keines leisten konnten.
Die Rolle von Mercedes-Benz auf der IAA kann man gut an diesen Bildern sehen, die ich erst kürzlich in unserem Archiv gefunden habe:
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Mit besonderem Dank für die freundliche und sachkundige Unterstützung durch die Kollegen des Archivs der Daimler AG, insbesondere bei der Recherche der historischen Bilder.
Seit 1985 bei jeder IAA dabei
Die Ölkrise Mitte der 70er-Jahre schockierte die westliche Welt, die autofreien Sonntage ließen uns spüren, in welcher Abhängigkeit vom Öl wir lebten. Die Automobilindustrie reagierte darauf mit Leichtbau und sparsameren Motoren, der Diesel wurde auch für Pkw immer wichtiger. Als ich 1984 in das Unternehmen eintrat, waren die Diskussionen um alternative Antriebe bereits voll im Gange. Aber die Faszination Auto blieb.
Ich arbeitete in einer Projektgruppe zur Vorbereitung des Jubiläums „100 Jahre Automobil“. Eine Aktion dabei war ein internationaler Plakatwettbewerb, mein erstes großes Projekt. So kam ich 1985 auf die IAA nach Frankfurt, denn die Preisverleihung fand dort auf dem Mercedes-Benz Stand statt. Ich war schon damals völlig überwältigt von der Größe der Messe, den vielen Menschen aus aller Welt und der hoch professionellen Organisation. Keine Frage: Ich war stolz darauf, ein Teil dieses Unternehmens zu sein!
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Preisverleihung Internationaler Plakatwettbewerb 1985: ganz links Kommunikationschef Daimler-Benz, Bernd Gottschalk, im Hintergrund Edith Meissner mit Urkunden.
Seither habe ich jede IAA erlebt, sie hat sich gewandelt und immer wieder neu erfunden. Ein Highlight besonderer Art war zum Beispiel die Kinder Mitmach-Ausstellung „Ein Stern für Kids“ in einer separaten Halle im Jahr 1995. Oder die IAA im Jahr 1997. Im Mittelpunkt stand die neue A-Klasse, mit ihrem damals revolutionären Fahrzeugkonzept mit Sandwichboden und damit bereits konsequent auf Elektromobilität ausgelegt. Daneben der erste smart – nicht nur ein Auto, vielmehr ein umfassendes Konzept für urbane Mobilität.
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Mercedes-Benz Stand in der Festhalle 1997: Die Höhe des Raumes wird erstmals durch eine Rolltreppe und Galerien erschlossen.
Die ganze Firma befand sich im Aufbruch und war voller Optimismus – das zeigte sich auch auf der IAA. Erstmals standen nicht nur die Autos, sondern die Inszenierung, die Botschaft des Unternehmens im Mittelpunkt des Messeauftritts. Die 40 Meter hohe Festhalle – seit 1991 die Heimat von Mercedes-Benz auf der IAA – wurde erstmals in ihrer ganzen Höhe durch eine Rolltreppe erschlossen. Dieses Grundkonzept wird bis heute beibehalten. Es ermöglicht ungewöhnliche Perspektiven, ein überwältigendes Raumgefühl und bietet auf verschiedenen Ebenen unendliche Möglichkeiten.
Menschen treffen auf der IAA
Menschen zu treffen ist eines der wichtigsten Dinge, die man auf de IAA tun kann. Zum Beispiel Prof. Jürgen Hubbert. Seit 12 Jahren im Ruhestand, aber mit dem Herzen wie immer voll dabei. Ich habe ihn oft vor und hinter den Kulissen als Mercedes-Vorstand erlebt. Heute unterhalten wir uns darüber, welche IAA ihm besonders in Erinnerung geblieben ist. Er berichtet, dass er seit den 80er-Jahren regelmäßig auf jeder IAA war, aber sein erster Auftritt dort als Vorstand im Jahr 1993 ist ihm bis heute besonders präsent.
Und auch bei ihm hat sich das Jahr 1997 nachdrücklich eingeprägt: „Das war das Jahr, in dem wir unsere Strategie sichtbar umgesetzt haben. Mit dem smart und der A-Klasse öffneten wir neue Segmente in unserem Portfolio. Das war auch das Hauptthema auf der IAA. Im gleichen Jahr präsentierten wir die neue M-Klasse, eröffneten unser Werk in Alabama und stellten den Maybach vor. Und kurz darauf passierte der Elchtest …“. Ja, wir erinnern uns. Nicht nur die Ingenieure, auch die Kommunikatoren haben aus diesem beispiellosen Fall eine Menge gelernt.
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Auch auf der IAA 2017 mitten drin und voll dabei: „Mister Mercedes“ Prof. Jürgen Hubbert.
Und es gibt eine weitere IAA, an die sich sowohl Jürgen Hubbert als auch ich besonders intensiv erinnern: 2001, erster Pressetag am 11. September. Am Nachmittag sahen wir im Pressezentrum auf den Monitoren, wie Flugzeuge ins World Trade Center krachten – danach war nichts mehr wie zuvor. Die Presseinterviews wurden beendet, darauf auch alle Shows abgesagt – es wurde eine leise und nachdenkliche IAA. Ich habe Jürgen Hubbert in dieser auch von uns als bedrohlich empfundenen Situation als wohltuend besonnen und sehr menschlich erlebt – danke noch heute dafür!
Später treffe ich auch Prof. Dr. Leopold Mikulic, den ich in seiner Zeit als Chef unserer Antriebsentwicklung als Kommunikatorin begleitet habe. Ich frage auch ihn nach seinen besonderen Momenten auf der IAA.
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Boxenstopp mit Prof. Dr. Leopold Mikulic, ehemals Chef der Mercedes-Benz Antriebsentwicklung.
Ihm ist vor allem die IAA 2007 in Erinnerung, als Mercedes-Benz auf seiner „Road to the Future“ die Entwicklungen auf der Antriebsseite vorstellte und ausrollte. Vor dem Hintergrund immer schärferer CO2-Grenzwerte zeigte das Unternehmen auf dieser IAA sein gesamtes Antriebsportfolio rund um saubere Diesel mit Bluetec, Benziner, Diesotto, Hybride sowie Elektroantriebe mit Batterie- und Brennstoffzelle. „Wir haben die Herausforderung angenommen und geliefert – das war ein Meilenstein für den Erfolg des Unternehmens in den darauffolgenden Jahren“ so Leopold Mikulic rückblickend.
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IAA 2007: Auf der „Road to the Future“ zeigt Mercedes-Benz eine Vielfalt neuer, besonders sparsamer und sauberer Modelle mit intelligent kombinierten Antriebstechnologien.
Von der Autoshow zur Mobilitätsmesse
Heute, 10 Jahre später, zeigt sich Mercedes-Benz in der Festhalle selbstbewusst und dennoch reduziert. Nicht noch mehr Autos, Displays und Shows, sondern einladend, Menschen im Mittelpunkt. So ist auf halber Höhe der Festhalle ein Veranstaltungsraum für die „me Convention“ entstanden, ein zentrales Podium für Dialog und Diskussion mitten im Herzen des Mercedes-Standes. Es geht hier um die Frage wie wir leben, wie wir arbeiten, wie wir uns vernetzen – und wie wir mobil sein können.
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Ich freue mich, dass meine Firma diesen Diskurs aktiv anstößt und mehr als 100 internationale Persönlichkeiten aus unterschiedlichen gesellschaftlichen und kulturellen Bereichen als Redner eingeladen hat. Gerade in diesem Jahr, wo im Vorfeld viele wenig fruchtbare Diskussionen über Diesel, Fahrverbote, Elektromobilität, Digitalisierung etc. in den Medien stattfanden. Häufig einfach als Statement aufgestellt, mit wenig faktischem Hintergrund, ohne Zuhören und Dialog. Für eine Zukunftsperspektive ist es aber das, was wir jetzt brauchen.
Und an manchen Orten habe ich im Vorfeld die Frage gehört, ob solche großen Messen wie die IAA überhaupt noch in die Zeit passen. Meine Meinung dazu: Wenn es die IAA nicht gäbe, müsste man sie jetzt erfinden! Sie ist die beste Plattform, um die drängenden Fragen der Zeit nach vorn zu bringen. Hier treffen sich seit über 100 Jahren alle Menschen, alle Organisationen und Firmen, die zur Frage der Mobilität substantiell etwas beizutragen haben. Und wo, wenn nicht hier kann man die notwendigen Lösungen vorantreiben?
Der Beitrag Wenn es die IAA nicht gäbe, müsste man sie jetzt erfinden! erschien zuerst auf Daimler-Blog.