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DTM-Final-Saison: Etwas Wehmut und ganz viel Ehrgeiz

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Der Geruch von Benzin und durchdrehenden Reifen, die dröhnenden Motoren, die Anspannung am Kommandostand, das Kämpfen um jedes Hundertstel in der Pace – die DTM ist für mich nicht einfach nur ein Motorsport-Event. Man riecht sie, man hört sie, man fühlt sie. Das geht mir so seit meinem ersten Rennen 1992 in Hockenheim.

Damals hat mich mein Onkel mit an die Strecke genommen und ich konnte mir schwer vorstellen, dass hinter diesen drei Buchstaben mehr steckt, als ein paar Verrückte, die im Kreis fahren. Heute kann ich kaum glauben, dass damit für uns als Mercedes-AMG Motorsport DTM Team nach dem 14. Oktober in Hockenheim Schluss ist.

Noch mehr Ehrgeiz

Trotzdem beginnt für mein Team und mich am ersten Mai-Wochenende die letzte DTM-Saison mit Mercedes-AMG. Ende 2018 verabschieden wir uns aus der Rennserie und steigen dafür in die Formel E ein. Wie sich das für mich als Teamchef anfühlt? Zweischneidig. Natürlich ist Wehmut dabei, wenn einem in der Vorbereitung immer wieder bewusst wird, dass man zum letzten Mal einen bestimmten Vorgang macht, eine bestimmte Besprechung führt, bestimmte Entscheidungen trifft.

Aber es ist auch jede Menge Ehrgeiz dabei, diese finale Saison mit einem Knall zu beenden. Als wir den Ausstieg verkündet haben, hatte ich ein bisschen Sorgen, dass die Truppe Motivationsprobleme bekommen könnte. Aber das Gegenteil ist der Fall. Uns ist allen klar, dass es in unserer DTM-Geschichte nur noch einen Titel zu vergeben gibt. Und deswegen muss es umso mehr sitzen.

Verantwortung statt Kontrolle

Als Teamchef bleibt meine Führungsstrategie dabei trotzdem gleich. Ich war nie ein Fan davon, meine Leute zu kontrollieren, sondern ihnen Freiraum zu geben. Aber Freiraum bedeutet auch Verantwortung. Ordentlich Sport machen, ordentlich Pit Stops trainieren, die ganzen Unterlagen nochmal angucken, um zu wissen: „Was ist denn der richtige Reifendruck?“, Equipment prüfen, ob es wirklich die richtigen Werte ausspuckt.

Wann immer etwas zu Ende geht, schaut man natürlich auch nochmal zurück und denkt an seine High- und Lowlights. Ein Tiefpunkt war für mich sicher die „Schieb-ihn-raus“-Affäre 2015 am Red-Bull-Ring. Der damalige Audi-Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich hatte seinen Fahrer Timo Scheider per Funkspruch aufgefordert, Pascal Wehrlein im Rennen von der Strecke zu schieben.

Nach der Aktion von Audi-Pilot Timo Scheider landete Pascal Werhlein 2015 in Spielberg im Kiesbett

Ich hätte niemals gedacht, dass sowas überhaupt passieren könnte. Zu dem Zeitpunkt war ich schon sehr erstaunt, um nicht zu sagen enttäuscht, von dem ganzen Thema Motorsport.

Du musst es mehr wollen

Aber Motorsport ist eben auch extrem und kurze Zeit später hatten wir mit Pascals Sieg in Moskau im nächsten Rennen und seinem Titel danach den größten sportlichen Erfolg mit Mercedes in meiner Zeit als Teamchef.

Aber manchmal sind auch die kleinen Siege Highlights, wie Oschersleben 2014. Das war das zweite Rennen der Saison, wir kamen aus Hockenheim und waren Welten weg von den anderen Herstellern. Ich weiß es noch wie heute, da gab es Kollegen von Audi oder BMW, die kamen zu uns und sagten: „Was macht ihr überhaupt hier? Ihr wisst doch gar nicht wie man Autos im Kreis fahren lässt.“

Überraschungssieger: Beim Regen-Rennen in Oschersleben 2014 holte Christian Vietoris (M.) den Sieg für Mercedes und seinen ersten DTM-Triumph

Und auf einmal ist so eine extreme Willenskraft in dem Team und bei den Fahrern entstanden, dass wir dieses Rennen am Ende mit Christian Vietoris tatsächlich gewonnen haben. Natürlich mit einer gewagten Strategie, aber auch mit einer großartigen fahrerischen Leistung von Christian. Und wir waren völlig außer Reichweite davor! Das hat mir gezeigt: Du musst deinen Job machen, aber ganz wichtig ist: Du musst es mehr wollen als alle anderen.

Wie aus Egoisten Freunde werden

Mit unseren sechs Fahrern haben wir glaube ich eine tolle Mischung aus Erfahrung und jugendlichem Leichtsinn, alle hungrig, in der letzten Saison nochmal alles zu geben. Das einzige, was die Jungs neben der DTM zunächst verbindet ist, dass sie alle schon mal Kontakt zur Formel 1 gehabt haben. Sei es als Testfahrer oder als Einsatzfahrer und das zeigt schon mal ihre Klasse.

Pascal Wehrlein, Gary Paffett und Paul Di Resta haben die DTM schon gewonnen, Daniel Juncadella war Formel 3-Europameister, Edoardo Mortara GT-Weltmeister in Macau und Lucas Auer hat im letzten Jahr einen Granatenstart hingelegt. Und was mir noch viel wichtiger ist: Die Jungs sind inzwischen Freunde geworden.

Unsere Fahrer für die finale Saison: Edoardo Mortara, Daniel Juncadella, Gary Paffett, Pascal Wehrlein, Paul Di Resta und Lucas Auer (v.l.)

Dafür haben wir sehr viel getan, denn grundsätzlich ist mal eines klar: Rennfahrer sind Egoisten und am Schluss geht es einfach nur darum, selber in dem Auto zu sitzen und zu gewinnen. Aber in der DTM funktioniert das Spiel so nicht. Du musst weiter denken, du musst mit dabei sein, du musst mit deinem Teamkollegen zusammenarbeiten. Sonst wirst du schon beim Setup einfach nirgends sein.

Dazu haben wir auf der einen Seite natürlich Teamevents gemacht. Wir gehen zweimal im Jahr in eine Fitnesswoche. Nicht wie früher drei Tage mal irgendwie den Berg hochquälen und danach ist jeder so außer Atem, dass er nicht mehr reden kann. Sondern wir machen gemeinsam Teamsport, Fußball und so weiter.

Und dann haben wir ganz klare Regeln festgelegt – wer sich widersetzt, weiß genau, dass es Konsequenzen gibt. Ich glaub es ist ganz wichtig, dass man im Umgang miteinander immer offen und fair ist und jeder weiß, woran er ist.

Unsere Fahrer haben auch akzeptiert, dass Gary Paffett der Teamkapitän ist. Auch das ist ein wichtiges Thema. Ich glaube das gibt es sonst nirgends, dass es so eine Art Leitwolf gibt im Rennsport. Aber unser Team hat gesagt:

Hey wir hätten gerne einen Leitwolf, der Gary wäre doch der Richtige dafür.

Das zeichnet ein gutes Team aus und das wird uns dieses Jahr helfen.

Zum Abschied ein Überraschungspaket

Was unsere Performance im Auto und auf den einzelnen Strecken angeht: Vor der Saison immer schwer zu beurteilen. Wir haben eine neue Einheitsaerodynamik, die unter der Designlinie dem entspricht, was auch Audi und BMW haben. Im Endeffekt geht es darum, das individuelle Design des Autos mit der Einheitsaero zu verheiraten und ein gutes Setup zu finden.

Und es geht darum, das Auto zu verstehen. Das ist umso schwerer, weil das zusätzliche Federelement, das das Auto stabilisiert und in der Aerobalance hält, ab diesem Jahr verboten ist. Diese beiden Komponenten, also Federung/Dämpfung kombiniert mit dem Thema Aerodynamik, bestimmen maßgeblich die Performance des Autos auf der Strecke. Wie geht es mit Unebenheiten um? Wie verhält es sich in speziellen Kurvenkombinationen? Vielleicht fährt unser Auto am Ende ja super, aber ein anderes Auto fährt einfach besser. Das macht die Relativierung schwierig.

Pascal Wehrlein beim DTM-Test in Hockenheim

Auch diese Faktoren machen die DTM zu einer so wettbewerbsintensiven Rennserie. Klar ist aber auch – wir wollen den Titel in unserer letzten Saison nach Stuttgart holen. Der erste Schritt ist, dass wir wettbewerbsfähig sind. Und ich glaube, wenn wir dann im letzten Rennen den Titel um drei oder vier Punkte verpassen, dann können wir trotzdem erhobenen Hauptes wieder in Hockenheim wegfahren.

Der Beitrag DTM-Final-Saison: Etwas Wehmut und ganz viel Ehrgeiz erschien zuerst auf Daimler-Blog.


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