Hallo Mercedes-Benz Museum! Hier darf ich heute Zeuge sein, wie sich zwischen geschichtsträchtigen Automobilklassikern plötzlich ganz nüchtern-pragmatische Themen rund um WLTP, Klimaschutz und Emissionen entspinnen. Ich bin auf dem Mercedes-Benz TecTalk Technologie- und Emissionsstrategie.
Auf der Bühne: Claus Ehlers von der Mercedes-Benz Strategie, Volker Blum, der sich bei Daimler mit Zertifizierungen für Emissionen in der EU beschäftigt und Thomas Hug, der für die CO2-Strategie bei Pkw zuständig ist.
Zwischen Sesseln, Motoren und portablen Messgeräten gehen sie auf dem TecTalk den drängenden Fragen rund um die Technologie- und Emissionsstrategie von Mercedes-Benz Cars auf den Grund. Ebenfalls darf ich mich heute auf eine Turboladung Wissen zum Thema WLTP-Zertifizierung freuen.
WLTP – was?
Für alle, die noch nicht genau wissen, was sich hinter der Abkürzung verbirgt, hier ein Erklärungsversuch in meinen eigenen Worten: Es ist das noch relativ neue Prüfverfahren. WLTP steht für Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure und misst neben den Abgasemissionen auch den Verbrauch und den CO2-Austoß eines Fahrzeugs. Im Vergleich zum Vorgänger NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) liefert das Verfahren realitätsnähere Verbrauchangaben. Aaaaaber: Auch wenn von „worldwide“ also weltweit die Rede ist, gilt die Verordnung aktuell nur EU-weit. Eine der vielen Herausforderungen, wie ich heute lerne.
Alles Neue macht der … Dezember
Denn: Bereits kurz nach verpflichtender Einführung im September 2018 gibt es bereits neue Änderungen und Verschärfungen seit Ende letzten Jahres. „Was sind die größten Herausforderung bei der Zulassung unserer Fahrzeuge heute?“, frage ich Volker Blum, zwischen Brezelknödel und Himbeer-Nachspeise. Drei Themen beschäftigen die Zertifizierungsexperten im Moment:
1. Die In-Service-Conformity
Das bedeutet, dass die Fahrzeuge, die heute bereits auf der Straße sind – die sogenannten Feldfahrzeuge – nochmals auf die Anforderungen von damals überprüft werden. Und das nicht nur im Labor, sondern auf der Straße. Durchgeführt werden sie von offiziellen Genehmigungsbehörden.
2. Die Verdunstungsemissionen
Wenn ein Fahrzeug z.B. übers Wochenende zu Hause steht und Sonnenstrahlen ausgesetzt ist, kann der Kohlenwasserstoff des Kraftstoffs entweichen. Hierfür gibt es ebenfalls Grenzwerte. Bisher wurde die Sonnenstrahlung für einen Tag gemessen, mit den neuen Änderungen wird das Fahrzeug nun zwei Tage dem Sonnenlicht ausgesetzt – die Grenzwerte sind aber die gleichen!

B 220 d (Kraftstoffverbrauch kombiniert 4.4-4.5 l/100km, CO2-Emissionen (g/km) kombiniert 116-119 g/km²³)
3. On Board Fleet Consumption Meter
Ein langes Wort! Dahinter verbirgt sich die neue Regelung, dass der rechnerische Kraftstoffverbrauch, nicht um mehr als 5 Prozent von einem WLTP- Zertifzierungstest abweichen darf.
Dazu kommt, die Umsetzungszeit bis September 2019. Das bedeutet, dass die Kolleginnen und Kollegen gerade dabei sind, das komplette Portfolio von Mercedes-Benz Cars nach WLTP und den Neuerungen zu zertifizieren. Kurzum: Da ist einiges zu tun!

Als Teil der WLTP-Zertifizierung muss die Einhaltung der Grenzwerte in einem so genannten RDE-Straßentest (Real Driving Emissions) nachgewiesen werden. Hierfür werden die Entwicklungsfahrzeuge mit portabler Emissionsmesstechnik (PEMS = Portable Emission Measurement System) ausgestattet. Die Messkoffer sitzen auf der Anhängekupplung oder finden im Kofferraum Platz
Ob das Auswirkungen auf die Verfügbarkeit der Modelle hat, frage ich mich. Doch ich erfahre, dass Mercedes-Benz Cars allein bis zum Januar dieses Jahr 190 WLTP-Genehmigungen erhalten hat.
Neben den Tests auf den Rollenprüfständen gibt es auch realitätsnahe Prüfungen auf der Straße – die sogenannten Real Drive Emissionen Test. Während des TecTalks habe ich die Chance, selbst ein Streckenprofil zu fahren und die NOx-Werte danach einzusehen. Toll, wie sauber ein moderner Diesel sein kann. Die NOx-Werte sind im einstelligen Bereich.
Christiane Betz, die interne Entwicklungsmessungen durchführt, erklärt mir auf der Ausstellungsfläche, dass Autohersteller im Rahmen der Zertifizierung mindestens 50 Prozent der Testfahrten von technischen Diensten durchführen lassen müssen. Neu für mich dabei: Mercedes-Benz hat diese Tests zu 100 Prozent an externe, unabhängige Organisationen übertragen.
Im Emissionslabor
Zum Abschluss meiner TecTalk-Experience darf ich noch einen Blick hinter die Zertifizierungskulissen werfen: im Emissionslabor. So was habe ich in meinen zweieinhalb Jahren bei Daimler noch nie gesehen!
Das Untertürkheimer Emissionslabor befindet sich mitten im Werk. Das Gebäude beherbergt mehrere Prüfstände, die jährlich eine fünfstellige Zahl an Tests durchführen – und das nahezu für alle Märkte. Um die Verfügbarkeit zugelassener Fahrzeuge im Handel sicherzustellen, läuft die Zertifizierung im Dreischicht-Betrieb rund um die Uhr! Hut ab, Kolleginnen und Kollegen!Weil der Aufwand für die Zertifizierung in den vergangenen Jahren gestiegen ist, hat sich die erforderliche Rollenprüfstandszeit von 2016 bis 2018 nahezu verdreifacht, erklären mir die zwei Mitarbeiter des Labors. Das liegt zum Beispiel daran, dass pro Fahrzeug-Familie mindestens zwei Fahrzeugvarianten getestet werden: Die Konfiguration mit den geringsten CO2-Emissionen und jene mit den höchsten.
Ein Fazit
Ich hätte es nicht für möglich gehalten, welch enormer Aufwand hinter der Zertifizierung von Fahrzeugen steckt. End-of-production heißt eben doch längst noch nicht Ready-to-be-sold. Was Zertifizierungen und Messverfahren angeht, bin ich jetzt schon etwas schlauer.
[3] Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen können dem „Leitfaden über den Kraftstoffverbrauch die CO2-Emissionen und den Stromverbrauch neuer Personenkraftwagen“ entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der DAT Deutsche Automobil Treuhand GmbH (www.dat.de) unentgeltlich erhältlich ist.
[4*] Die angegebenen Werte wurden nach dem vorgeschriebenen Messverfahren ermittelt. Es handelt sich um die „NEFZ-CO₂-Werte“ i.S.v. Art. 2 Nr. 1 Durchführungsverordnung (EU) 2017/1153. Die Kraftstoffverbrauchswerte wurden auf Basis dieser Werte errechnet. Die Angaben beziehen sich nicht auf ein einzelnes Fahrzeug und sind nicht Bestandteil des Angebots, sondern dienen allein Vergleichszwecken zwischen verschiedenen Fahrzeugtypen. Die Werte variieren in Abhängigkeit der gewählten Sonderausstattungen.
Der Beitrag WLTP, NEFZ und Co: Im Zertifizierungs-Dschungel erschien zuerst auf Daimler-Blog.