Da muss ich mich erst mal sammeln: Die IAA ist gerade an mir vorbeigerauscht. Viele Modelle, Medien und noch viel mehr Menschen. Die Festhalle 2 in Frankfurt, die Ausstellungsfläche von Mercedes-Benz und smart, zieht Tausende in ihren Bann. Gleich einem riesigen Ameisenhaufen werden Kontakte geknüpft, Sachen (Kameras und Prospekte) geschleppt und an der Zukunft des Stammes „gebaut“ (Daimler-Mitarbeiter).
Fragt man Journalisten und Besucher, so haben sich Mercedes-Benz und smart zur IAA beeindruckend zurückgemeldet und sind auf der Messe die Hersteller, die am meisten „Zukunft“ im Programm haben. (Also nicht “zurück in die Zukunft”. Denn das hieße ja in die Vergangenheit zu reisen, dafür ist bei Daimler das Classic Center zuständig). Da fährt Dieter Zetsche mit der S-Klasse S 500 INTELLIGENT DRIVE auf die Bühne. Und steigt hinten aus. „Autonomes Fahren“. Das hatte man so in Niedersachsen und Bayern noch nicht gesehen. Ein Film zeigte, wie die S-Klasse vor ein paar Wochen autonom (ein Ingenieur saß zwar auf dem Fahrersitz, hatte aber nie die Hände am Lenkrad) die historische Route der Bertha Benz von Mannheim nach Pforzheim fuhr. Der S 500 INTELLIGENT Drive nutzt nur Sensoren, die auch in der Serien-S-Klasse verfügbar sind – nur eben mehr davon. Damit kann das Auto die Unmengen an Daten im Straßenverkehr erfassen. „Es ist ungefähr so, als würde der Wagen permanent Blitzschach spielen – aber in Millisekunden und dutzende Partien gleichzeitig. Denn im Stadtverkehr sind deutlich mehr Figuren im Spiel als auf ein Schachbrett passen“ sagte Dieter Zetsche bei der Premiere. Kameras statt Augen sind auf die Straße gerichtet, über das Berechnen von Algorithmen wissen die Assistenzsysteme, wohin und wie schnell die Reise geht. Dies könnte bedeuten, dass wir anstrengenden Berufsverkehr und Autobahnfahrten bald dem Auto allein überlassen können, wie mir Ralf Herrtwich, Leiter Entwicklung Fahrerassistenzsysteme und Fahrwerk, im Interview sagte.
Ebenso spannend ist die Entwicklung bei den Antrieben. Mercedes-Benz bringt den S500 Plug-In-Hybrid, der in seiner Kombination aus spritsparendem V6 Motor und Elektromotor einen Verbrauch von drei Litern auf 100km schaffen soll. 30 Kilometer können jeweils pro Batterieladung rein elektrisch gefahren werden. Und wer will, kann mit dem Auto bis zu 250 Km/h schnell fahren und in 5,5 Sekunden von Null auf 100 Km/h beschleunigen. Ein völlig neuer Gedanke: Das Luxusfahrzeug als Dreiliter-Auto! Dazu gesellt sich jetzt die B-Klasse „Electric Drive“, die auch auf der IAA erstmals in Deutschland zu sehen war. Vollelektrisch und mit einer Reichweite von 200 km absolut alltagstauglich. Zudem ist die B-Klasse Electric Drive digital vernetzt und alle wichtigen Informationen wie zum Beispiel Ladestand der Batterie sind über „Connected Services“ via Internet abrufbar. 2014 wird die B-Klasse auf dem so wichtigen amerikanischen Markt starten, danach kommt sie auch zu uns nach Europa.
Die Elektrofahrzeuge kommen also, zumindest bei Daimler, es ist eine leise Revolution. Zu leise? Zur Erinnerung: Seit 2007 kann jeder der will, smart fortwo electric drive fahren. Es gibt den Transporter Vito E-CELL, und die B-Klasse F-CELL mit Brennstoffzelle und Elektroantrieb (in Kürze folgt im Daimler-Blog der Fahrbericht eines Kunden). Und während andere Hersteller noch an ihren Elektro-Supersportwagen feilen und unklar ist, ob und wann sie überhaupt erhältlich sein werden, hat Mercedes-Benz seit über einem Jahr den SLS Coupé Electric Drive im Programm. Dieser hat mal eben dieses Jahr auf der Nordschleife mit 7:56 Minuten einen Rundenrekord in seiner Klasse aufgestellt. Und dann sind da noch der der Mercedes-Benz E300 Bluetec Hybrid, der Lkw Fuso Canter E-CELL, der Bus Citaro FuelCELL-Hybrid…
…zurück zur Messe: Da waren noch zwei Stars mit dem Stern, die für Gedränge in der Menge sorgten: Der Mercedes-Benz GLA und das S-Klasse Concept Coupé. „Crossover-Benz“ nennt die Auto Bild den GLA frech. „Trekking-Schuh“ nennt ihn Dieter Zetsche und meint damit seine Einstufung als Geländewagen. Die G-Klasse ist und bleibt der „Bergstiefel“, aber man kann mit dem GLA durchaus „kraxeln“: Vierradantrieb mit speziellem Offroad-Fahrprogramm und die Bergabfahrhilfe „DSR“ (Downhill Speed Regulation) machen mehr möglich, als Bewohner des Großstadt-Dschungels je brauchen werden. SUV-Fahrzeuge gelten ja am Stammtisch als schwerfällig, durstig und wenig aerodynamisch. Und der GLA? „Er hat einen cw-Wert von 0,29 und ein (je nach Ausstattung) einen Verbrauch von 4,3 Litern auf 100 km“, wie mir Prof. Dr. Hans Engel, verantwortlich für die Kompaktbaureihen, im Interview sagte. Also über jeden Zweifel erhaben.
Erhaben. Das Wort passt auch zum Mercedes-Benz S-Klasse Concept Coupé. „Concept“ steht für „nah dran an der Serie“, es wird aber zum Produktionsstart im nächsten Jahr keine wesentlichen Design-Änderungen mehr geben. Das Auto ist eindeutig flacher, breiter und kürzer als das aktuelle CL-Coupé. Typische Coupé-Merkmale wie rahmenlose Scheiben, ein Verzicht auf die B-Säule, eine höhere Bordkante lassen das Auto schon im Stand dynamisch aussehen. Der Innenraum wird wahrscheinlich der meistfotografierte der Messe in Frankfurt sein: Abgesteppte Sitze mit feinstem Leder, Lüftungsdüsen aus Keramik und Aluminium, hochwertige Bildschirme im Cockpit im Format 8:3. In der Mittelkonsole befindet sich ein Touch-Display, auf dem vier Weltuhren angezeigt sind. Fehlt nur noch der Verstellknopf vorwärts in die Zukunft. Natürlich im Display…